Dienstag, 25. September 2007

Chuseok und ich

Ob wirklich jemand diesen Blog liest, bin ich mir ja nicht sicher. Denn irgendein Feedback ist bis heute ausgeblieben. Ja dich meine ich, genau dich. Es gibt auch Emails, mit denen der Reisende sich staerkt, falls jemand keine Lust hat, seine Meinung ueber mich oeffentlich kund zu tun.
Aber genug der Ruegen.
Seit gestern wird der Chuseok gefeiert, drei Tage lang, eine Art Erntedankfest. Da ist eine Grossstadt ja nicht wirklich der richtige Ort, kann man meinen. Trotzdem auch Seoul swingt zu Trommeln, Floeten und praesentiert sich in bunten Gewaendern aus der Tradition.
Beinahe auf jedem groesseren oeffentlichem Platz ist Stimmung. Gestern bei der Eroeffnung am Citz Plaza perkussierten sechs Frauen und ein Mann das Volk in Fieber. Am Hoehepunkt stagedivte der Junge, mit vollendet durchtrainiertem, schweissgeperlten Oberkoerper nun bar des Hemdes ins Publikum und heizte alle zum Mitgrooven an. Ich kann nur sagen, das ging auch mir in die Aorta. Es war nicht so einfach, mitzutanzen und scharfe Bilder zu machen. Herz und Hirn zu koppeln, wird mich hier noch vor grosse Pruefungen stellen.
Generell ist bereits nach zwei Tagen das passiert, was immer eintritt, wenn ich reise. Meine zu Hause gefassten Plaene zerfasern und der Trieb zum Treibenlassen aktiviert sich. Ich hab soviel vor gehabt, zu organisieren und jetzt ist das Ruder verwaist und mein Schiff treibt steuerlos in die naechsten Wochen. Und das ist gut so.
Was mich weiterhin in Spannung haelt, ist das Essen der Garkuechen hier. Gestern irgendwann um Mitternacht beim Nachhausegehen hab ich mich in einer Strasse geirrt, bin ploetzlich in einer recht dunklen Ecke gelandet und hab schon ueberlegt, ob ich umkehren soll. Da taucht hinter mir ein Polizeiauto auf, Blaulicht, Martinshorn an und stoppt hundert Meter vor mir. Na ja ich bin ja neugierig. Die Jungs springen aus dem Wagen und verschwinden in einer Seitenstrasse. Ich schau um die Ecke dort - Garkuechen in Linie. Da spuerte der Reisende sofort Hunger. Ich hab mir einen Hocker neben den auch hier sich setzenden- was heisst eigentlich Kieberer auf koreanisch - geschnappt und auf die Essensbestandteile gedeutet, die mir am fremdesten erschienen. Delikat - besonders die gelbgruene Rolle, die mein Gaumen als mit einer Art Palatschinke und Pak Choi ummanteltes Shushi identifizierte, waren jede Verirrung wert.
Die Polizisten scheinten mit dem Alarmsignal nur ihren Hunger der Nacht kundgetan zu haben. Kann ich verstehen.
Heute morgen bin ich wieder den Cheonggye entlang ins Zentrum gelaufen. Das ist ein im Herzen von Seoul kuenstlich angelegter Bach mit viel Gruen, Wasserfall, Fontainen, Steinen zum Queren des Wassers, kurz ein Naherholungszentrum, das sich abends als Zugabe noch in Lichtspiele ergeht. Ab Nachmittag ist hier immer reger Verkehr. Vom Fuss-Reinhalten bis Jause, die Staedter lieben ihn.
Im Deoksugong Palast hat der Samul-nori fasziniert. Das ist der Gruppentanz, bei dem eine Art lange Schnur am Hut gekreist wird, waehrend jeder mit seinem Schlaginstrument durch die Arena wirbelt. Zusammen mit rund fuenfhundert frenetischen koreanischen Zuschauern und circa 35 Grad in der Sonne ein wahrlich an die Grenzen gehendes Spektakel.
Im nebenstehenden Artmuseum hat es mich nicht gezogen, eine Wienausstellung (die leidliche Kaiserzeit), waere etwas deplaziert gewesen.
Dafuer hab ich einem Koreaner meine Leica eingepredigt und da die europaeische Fahne hoch gehalten . Nikon sowie Canon madig machen, mag nicht fair sein, aber da ja eh a bisserl Panasonic im Leicagehaeuse eingebaut ist, haelt sich mein schlechtes Asia-Gewissen in Grenzen.
Ich seh mich eher als Botschafter der Ablichtungsguete....

6 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Na gut, ich erbarme mich. Du solltest eigentlich wegen Verbreitung des hochinfektiösen Virus remotusum dolorosus (dt. Fernweh) boykottiert werden. Hier wird ja beim Lesen die Krankheit schlimmer. Ich werde allerdings weiterlesen, da ich ja Heilung durch Reisen erwarten kann. Wünsche weiter viele neue Erfahrungen. Bis morgen!

Michael

Anonym hat gesagt…

Hi, ich erbarme mich auch und hoffe daß du mir alle koreanischen kochrezepte mitbringst die du finden kannst und nummeriere deine garküchen sonst triffst du gar auf dieselbe nochmal.bis bald eduart

Anonym hat gesagt…

안영하세요! Anyeong Haseyo!

na na na - protest,da hat wohl jemand seine mails nicht abgerufen oder die botschaften haben sich zwischen zeitverschiebung und kabelsalat gekreuzt. ORTLOS sitzt gespannt vor den rechnern und sobald eine neue botschaft eintrudelt, laufen wir hier vor den bildschirmen zusammen und kämpfen um den platz in der ersten reihe tastaturfrei, während die milch in den verlassenen cafe-latte-gründen vor lauter schmerz über allgemeines desinteresse sauer wird. Geschichten wiederholen sich - hat sich nicht ebendort vor kurzem eine fliege im trennungsschmerz in der kaffetasse ertränkt! Auch in europa sind die kräfte seltsam und der wind weht einen von radkersburg zum neusiedlersee, obwohl man in den süden segeln wollte. Dafür wird der Winter mit Bogenschiessen verbracht. Soviel vom Ministerium für interna(tiona)l gossip-affairs. Halt - eine schnellmeldung: Flo lässt fragen, ob du nun schriftsteller oder fotograf bist, denn er wartet auf bilder und liest nur texte in maximal 3-seitiger sms-länge bei kleinem display! S(e)o ul(ong), OFIGA

Anonym hat gesagt…

yes i demand pictures

Anonym hat gesagt…

LD, ich bin entsetzt!
Hast die Leica daheim vergessen oder was ist los? Beim Old Shatterhand hast auch das Wichtigste vom Bild weggeschnitten - ich hoffe, Du kommst gesund und nicht allzu verwirrt wieder. Gute Reise, wenn Du Verwandte von mir triffst, lass sie grüßen!
RedNose

Anonym hat gesagt…

hi, emil, NEID NEID - ich rieche förmlich die "garküchen" ... und wirklich, ein paar fotos mehr wären net schlecht ... freu mich schon auf die nächsten berichte ... alles liebe in die ferne dei ex-lg-nachbarin